Internationalisierung im E-Commerce: Herausforderungen und Chancen
Die deutschen E-Commerce-Unternehmen haben es derzeit nicht leicht. So macht sich die allgemein schlechte Konsumstimmung auch im Online-Handel deutlich bemerkbar. Im zweiten Quartal 2023 lag der E-Commerce-Umsatz in Deutschland bei 19,17 Milliarden Euro und damit 12,2 Prozent unter dem Vorjahreswert. Immerhin fiel der Rückgang weniger stark aus als noch zu Jahresbeginn. Unter dem Strich bleibt für das gesamte erste Halbjahr 2023 dennoch ein Minus von 13,7 Prozent beim E-Commerce-Umsatz. Das geht aus Daten des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH) hervor.
Auf internationaler Ebene stellt sich die Situation derzeit anders dar: Laut dem Global Retail E-Commerce Market Report der Business Research Company wird erwartet, dass die Marktgröße von 5,6 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 auf 6,2 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von mehr als 10 Prozent ansteigen wird: Darüber hinaus wird erwartet, dass der Markt eine Größe von 9,1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2027 mit einer CAGR von mehr als 10 Prozent erreichen wird. Der asiatisch-pazifische Raum hatte sich dabei im Jahr 2022 zum größten Markt für den E-Commerce im Einzelhandel entwickelt.
Grund genug also für deutsche Online-Händler, über die Internationalisierung ihres Geschäftsmodells nachzudenken. Wir stellen nun in unserem Blog-Beitrag für Sie Chancen und Herausforderungen übersichtlich gegenüber.
Günstige Prognosen für Cross-Border-E-Commerce
Shopbetreiber, die ihr Online-Geschäft internationalisieren wollen, haben gute Aussichten. Zumindest legen das Umsatzahlen sowie eine Prognose dar.
Der grenzüberschreitende E-Commerce in Europa hat im Jahr 2022 einen Wert von 179,4 Milliarden Euro erreicht, dies entspricht einer Steigerung von 4,8 % gegenüber dem Vorjahr. Europäische Webshops erzielten grenzüberschreitend einen Umsatz von 105,5 Milliarden Euro. Dies stellte die fünfte Ausgabe der „TOP 500 Cross-Border Retail Europe“, einer vom Unternehmen CBCommerce erstellten Studie fest.
Nach einer Schätzung hatte der Cross-Border B2C-E-Commerce-Markt weltweit im Jahr 2022 eine Größe von rund 800 Milliarden US-Dollar. Dieser Wert soll in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen und sich im Jahr 2030 auf 5,1 Billionen US-Dollar belaufen. (Quelle: statista)
Die großen Chancen für international ausgerichtete Online-Shops
Der digitale Handel ist prädestiniert für die Internationalisierung. Während stationäre Ladenketten Räumlichkeiten vor Ort erfordern, ist z.B. im E-Commerce vor allem der Online-Shop die erste Adresse, welche die Zielgruppe für den Einkauf aufsucht.
Für Online-Händler ergeben sich durch die Internationalisierung zusätzliche Chancen:
- Steigerung der Umsätze
- Erschließen neuer Absatzmärkte
- Zugang zu neuen Kundengruppen
- Schnelleres Wachstum
Auch wenn die Vorteile klar auf der Hand liegen, lässt sich nie pauschal beziffern, ob sich die Internationalisierung für einen Online-Händler lohnt. Denn letztlich spielen viele verschiedene Faktoren für den Erfolg eine Rolle. Neben passenden Zielen muss auch das Geschäftsmodell auf andere Märkte transferierbar sein. Ebenso müssen ausreichende Ressourcen verfügbar sein. Deshalb ist es wichtig, dass sich jedes Unternehmen vor einem möglichen Marktstart im Ausland mit den Herausforderungen beschäftigt.
Welche Herausforderungen warten auf Online-Händler bei der internationalen Ausrichtung ihrer Shops?
- Kulturelle Unterschiede
Auch wenn die Globalisierung bereits weit fortgeschritten ist und vor allem auch innerhalb der EU reger Warenverkehr und Austausch besteht, können kulturelle Unterschiede immer noch wichtige Hürden im Cross-Border-E-Commerce darstellen.
So kann z.B. ein für Deutschland entwickeltes Produktdesign in anderen Ländern ganz anders wahrgenommen werden. Auch Slogans oder Marketing-Aktivitäten, die hierzulande usus sind, können im Ausland möglicherweise zu Unverständnis oder sogar Ablehnung der Marke führen. Auch erfolgreiche Geschäftsmodelle funktionieren nicht automatisch in einem anderen Zielland.
- Sprachbarrieren
Auch wenn es mittlerweile zahlreiche automatisierte Übersetzungstools von Google Translate bis zu DeepL gibt, sollten Online-Händler vor allem bei Übersetzungen auf höchste Qualität achten. Häufig gibt es Online-Shops, die auch nur einen Teil des Contents in die Zielsprache übersetzen, URLs oder Seitenelemente bleiben auf Deutsch bestehen. Das kann auf dem Zielmarkt zu Verwirrung führen oder für potenzielle Kunden ein Zeichen von mangelhafter Qualität sein. Letztlich können schlampige oder fehlende Übersetzungen zu einem deutlichen Vertrauensverlust in den Shop oder die Produkte führen.
Doch der Webcontent ist nur ein Teil der möglichen Sprachbarriere. Auch der Kundenservice, Servicemails, Bestellformulare, Infobroschüren, Whitepaper, Bezahlsysteme, all das muss in der Sprache des Zielmarkts verfügbar sein und reibungslos funktionieren.
- Wettbewerb und Markt im Zielland
Wenn sich Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung auf dem deutschen Markt online sehr gut verkauft, bedeutet das noch nicht automatisch Erfolg auf internationalem Parkett. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen können die Märkte und die Bedürfnisse der Verbraucher schon in Nachbarländern deutlich differieren. Zum anderen gibt es auf jedem Markt einen eigenen Wettbewerb, den Sie genau im Blick behalten sollten. Im Online-Geschäft gibt es zwar meist mehrere international agierende Anbieter, doch die „Platzhirsche“ haben häufig auch im digitalen Bereich die Nase vorn. Das gilt umso mehr, wenn es um ein Nischenprodukt geht.
- Logistik und Fulfilment
Mit Ihrem Online-Shop beliefern Sie Kunden von Flensburg bis München, von Münster bis Frankfurt an der Oder. Und das funktioniert dank bestehender Logistikketten und Verträgen mit zuverlässigen Versanddienstleistern hervorragend. Doch wie sieht es bei Lieferungen ins Ausland aus? Geringe oder keine Versandkosten und kurze Lieferzeiten sind im E-Commerce für Kunden zentrale USPs. Wer das bei der Internationalisierung nicht bieten kann, steht vor einer großen Hürde, um auf dem neuen Markt erfolgreich zu sein.
Versandkosten im internationalen E-Commerce können für Online-Händler zu einer großen Herausforderung werden. Wer berücksichtigt, dass der durchschnittliche Warenkorb statistisch im Cross-Border-E-Commerce zu 50 Prozent zwischen 5 und 49 Euro liegt, muss beim Versand ganz genau kalkulieren.
Das gilt übrigens auch für Retouren. Bei Retourenquoten in bestimmten Segmenten wie Fashion von über 50 Prozent sind auch diese beim internationalen E-Commerce entscheidend für den Erfolg.
- Rechtliche Aspekte: Exportbestimmungen, Zoll und Steuern
Wer sich als Online-Händler bei der Expansion auf die EU bzw. den EWR konzentriert, hat gute Chancen, auf möglichst einheitliche Regelungen zu treffen. Auch Zoll oder steuerliche Aspekte sind einfacher.
Doch das kann sich schnell ändern, wenn Sie z.B. die USA oder Großbritannien als Zielländer bedienen wollen. Dabei müssen z.B. bei bestimmten Waren Sanktionslisten, Kennzeichnungspflichten oder komplexe Importregularien berücksichtigt werden. Das stellt nicht nur Händler, sondern auch die IT bzw. ERP-Systeme vor große Herausforderungen. Wer mögliche Regeln beim Verkauf in andere Länder bricht, ob wissentlich oder unwissentlich, riskiert hohe Strafen.
- Bezahlsysteme und Bonitätsprüfung
In Deutschland ist immer noch der Rechnungskauf eine der beliebtesten Bezahlarten. Doch wie sieht es in Frankreich aus, in Österreich oder dem Rest der Welt? Da sich das Angebot an Bezahlmöglichkeiten stark auf Conversions auswirken kann, müssen Online-Händler genau prüfen, welche Zahlarten im jeweiligen Zielland bei Verbrauchern beliebt sind. Ebenso sollten sie sich darüber informieren, wie es um die Zahlungsmoral der Kunden im neuen Zielmarkt bestellt ist. Auch wenn es globale Plattformen wie PayPal gibt, schätzen Kunden in manchen Ländern auch lokale Anbieter.
Eng verknüpft mit der Wahl der Bezahlsysteme sind auch Systeme zum Überprüfen der Bonität. Das ist gerade mit lokalen Playern nur unzureichend möglich. Doch um Käufe besser abzusichern oder Kreditlinien auch international festlegen zu können, ist Expertise gefragt.
- Payment Fraud
Die Erweiterung der Shop-Reichweite birgt auch mehr Gefahren. Das gilt vor allem für Delikte wie Warenkreditbetrug oder Payment Fraud. Shopbetreiber sollten sich hier absichern, damit auch Geschäfte mit internationalen Kunden sicher ablaufen und die Gefahr von betrügerischen Handlungen minimiert wird. Siehe hierzu auch unsere aktuelle Studie "Betrug im E-Commerce".
Häufig unterschätzt: Technologie, SEO und Marketing
Wer den Zielmarkt, die Zielgruppe im Ausland und alle weiteren hier beschriebenen Aspekte berücksichtigt hat, sollte dabei seinen Shop nicht außer Acht lassen. Worauf Online-Händler achten sollten:
- Technik: Leidet die Seitengeschwindigkeit aufgrund der Latenz, weil das Angebot in einem anderen Land bereitgestellt wird? In diesem Fall könnte es z.B. sinnvoll sein, die Seite über ein Content Delivery Network zu hosten, sodass Performance-Probleme verringert werden. Ist das Shopsystem für Mehrsprachigkeit ausgelegt? Wenn nicht, besteht hier großer Handlungsbedarf.
- SEO: Wer seinen Online-Shop bereits für Deutschland suchmaschinenoptimiert hat, darf dasselbe nicht für andere Sprachversionen vergessen. Auch dort gilt: Nur das perfekte Zusammenspiel aus reibungslos funktionierender Technik, hoher Nutzerfreundlichkeit, hochwertigem Content und kurzen Ladezeiten erhöht die Chance auf Top-Rankings in den Suchergebnissen.
- Marketing: Muss die Domain noch für andere Top-Level-Domainenendungen reserviert werden? Benötigen Sie eine eigene URL für die Zielregion, weil Ihr Shop sonst nicht zu vermarkten wäre? Das gilt z.B. für deutsche Shopnamen wie „schrauben24.de“ o.ä.
Kennen Sie bereits die wichtigsten Marketingkanäle im Zielland? Welche Budgets müssen dort aufgebracht werden, um qualifizierten Traffic zu erhalten?
Das sind nur einige Fragen, die in Bezug auf den Shop, das Shopsystem und Marketing geklärt werden sollten.
Fazit: Keine Internationalisierung ohne klare Strategie – professionelle Unterstützung ist sinnvoll
Die Internationalisierung eines Online-Shops bietet zweifelsohne große Chancen. Doch im Vorfeld sollten Shopbetreiber zunächst abklären, ob ihre Produkte und Waren überhaupt Potenzial in der gewünschten Zielregion haben. Ist das der Fall, ist weitere Planung notwendig, kombiniert mit Analysen des Zielmarktes und der Zielgruppen.
Wer den Sprung ins Ausland angehen möchte, sollte vor allem klären, ob er das dafür notwendige Budget hat. Das beschränkt sich nicht nur auf den finanziellen Aspekt, sondern auch auf den personellen. Denn Internationalisierung bedeutet vor allem, dass Shopbetreiber mit mehr Arbeitszeit in Vorleistung gehen müssen.
Empfehlenswert ist es, sich professionelle Unterstützung bei der Internationalisierung zu holen. Das fängt bereits bei der Planung an und mündet schließlich in die Wahl geeigneter Partner für einzelne Bereiche.
So kann Sie z.B. HYBRIGHT von CRIF nachhaltig bei Fraud Detection und Bonitätsprüfungen internationaler Kunden unterstützen und dafür sorgen, dass Sie mit Ihrem Schritt ins internationale Business Erfolg haben.